Gerichtsvollzieherin, Gerichtsvollzieher

Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher setzen Urteile und Beschlüsse von Gerichten durch. Sie sorgen dafür, dass Gläubiger zu ihrem Geld kommen und wahren berechtigte Interessen der Schuldner. Ein starker Mensch-zu-Mensch-Beruf, anspruchsvoll, selbständig und unabhängig. Die Ausbildung steht nur Berufserfahrenen offen, bevorzugt aus geeigneten Justizberufen.

Berufsbild: Gerichtsvollzieherin oder Gerichtsvollzieher

Beim Stichwort „Gerichtsvollzieher“ denken viele Menschen an den „Kuckuck“: das Pfandsiegel, das sichtbar macht, dass ein Gegenstand gepfändet wurde. Doch die Aufgaben von Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollziehern gehen weit darüber hinaus. „Früher haben Gerichtsvollzieher nur gepfändet“, schildert Walter Forster, Hauptgerichtsvollzieher und seit mehr als 30 Jahren im Beruf. „Heute sind wir vor allem auch vermittelnd tätig. Unser Ziel ist es, gemeinsam mit den Schuldnern eine gute Lösung zu finden.“

Liegt ein Urteil oder ein Vollstreckungstitel vor, kann die Gläubigerin oder der Gläubiger eine Gerichtsvollzieherin oder einen Gerichtsvollzieher direkt mit der Vollstreckung beauftragen. Walter Forster setzt sich mit der Schuldnerin oder dem Schuldner in Verbindung und klärt, ob er oder sie die Schulden innerhalb einer bestimmten Frist bezahlen kann. Ist die Gläubigerin oder der Gläubiger mit einer Ratenzahlung einverstanden, stellt Forster gemeinsam mit der Schuldnerin oder dem Schuldner einen Ratenplan auf und überwacht den Zahlungseingang. 

 
Als Gerichtsvollzieher bin ich nicht „der Böse“, ich kann Schuldnern auch viel helfen, ihnen zum Beispiel mehr Zeit geben. Ich bekomme immer wieder Dankesbriefe und Schuldner sagen: „Mit Ihnen kann ich besser verhandeln als mit den Banken.“ Mein Ziel ist es, gemeinsam gute Lösungen zu finden.

Walter Forster, Hauptgerichtsvollzieher

Eine Schuldnerin oder ein Schuldner kann nicht zahlen? Dann nimmt Walter Forster eine Vermögensauskunft ab. In diesem umfangreichen Formular müssen die Betroffenen Auskunft geben über ihre Einkünfte, ihr Vermögen auf Konten, über Bausparverträge, Lebensversicherungen, ihren Besitz an Möbeln, Wertgegenständen, Fahrzeugen – und auch zum Beispiel über Unterhaltsverpflichtungen. Forster ist Ansprechpartner der Schuldnerin oder des Schuldners und beantwortet alle Fragen rund um das Vermögensverzeichnis. 

 
Es ist sehr befriedigend, wenn man Leuten weiterhelfen kann. Viele Menschen kommen unverschuldet in die Situation. Für sie ist es sehr hilfreich, dass sie im Gerichtsvollzieher einen Ansprechpartner haben: dass jemand da ist, bei dem sie auch mal Rat bekommen. Dieser zwischenmenschliche Bereich ist für mich das tägliche Brot.

Walter Forster, Hauptgerichtsvollzieher

Die Vermögensauskunft ist die Grundlage für eine Pfändung. Beschließt das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers zum Beispiel eine Lohnpfändung, so stellt Walter Forster dem Arbeitgeber diesen Beschluss zu. Als Gerichtsvollzieher kann er auch bewegliche Gegenstände pfänden oder eine Zwangsräumung der Wohnung, des Hauses oder der Geschäftsräume durchführen.

Nach einer Pfändung versteigern Gerichtsvollzieherinnen oder Gerichtsvollzieher die gepfändeten Sachen – zum Beispiel die Schmuckstücke, den wertvollen Teppich, die Silberleuchter und/oder das Auto. Den Erlös verteilen sie an die Gläubiger. 

Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher sind...

  • selbständige Organe der Zwangsvollstreckung. 
  • Ein-Frau- oder Ein-Mann-„Behörden“. Ihren Geschäftsbetrieb organisieren sie weitgehend selbständig und eigenverantwortlich. 
  • verbeamtet.

Welche Gegenstände sind für eine bescheidene Lebensführung nötig, welche können gepfändet werden? Ein teures TV-Gerät kann zum Beispiel gepfändet und durch einen einfacheren Fernseher ersetzt werden. 

 Ein Pfandsiegel, im Volksmund auch „Kuckuck“ genannt. Der Spitzname stammt vom Wappenadler, der früher auf dem Pfandsiegel abgebildet war. 

Respekt als Grundhaltung

Eine Pfändung und ganz besonders eine Zwangsräumung ist für die Betroffenen eine sehr belastende Situation. Schuldnerinnen und Schuldner kommen aus allen Gruppen der Gesellschaft und sind aus den unterschiedlichsten Gründen in die Verschuldung geraten. Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher wissen nie, was sie erwartet: Ist die betroffene Person zu Hause? Wie ist ihre Verfassung: Ist sie ruhig und kooperativ, tief verzweifelt oder aufgebracht? In welchem Zustand befindet sich die Wohnung? 

Was darf (nicht) gepfändet werden?

  • Pfändbar sind Bargeld (dabei bleiben bestimmte Freibeträge unberührt), Wertpapiere, Schmuck und andere Gegenstände, die einen gewissen Erlös versprechen.
  • Unpfändbar sind alle Sachen, die ein Mensch für eine bescheidene Lebensführung, für Ausbildung und Beruf oder zum Beispiel für gesundheitliche Zwecke braucht: neben Kleidung, Möbeln und Brille auch das TV-Gerät und der Computer (teure Geräte können gegen einfachere getauscht werden: Austauschpfändung). Ausnahme: Bleibt man zum Beispiel nach dem Kauf eines Kühlschranks die Raten schuldig, kann das Gerät, solange der Verkäufer noch Eigentümer ist, ohne Ersatz gepfändet werden.

Teilweise liegen schon Erkenntnisse vor und die Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher können sich entsprechend vorbereiten. Doch in der Arbeit mit Menschen in Ausnahmesituationen müssen sie immer mit Unvorhersehbarem rechnen. Während ihrer 18-monatigen Ausbildung machen sich Nachwuchskräfte mit möglichen Situationen vertraut und lernen, auch in schwierigen Momenten angemessen aufzutreten und zu reagieren. Gerichtsvollzieher wie Walter Forster können auch in Extremsituationen helfen: „Ich kann betroffene Menschen zum Beispiel zu Anlaufstellen beraten: Wo bekommen sie eine Ersatzwohnung? An welche Stellen in der Gemeinde können sie sich wenden, welche Organisationen helfen?“

Wer kann Gerichtsvollzieherin oder Gerichtsvollzieher werden?

Gleich nach dem Schulabschluss die Ausbildung zur Gerichtsvollzieherin oder zum Gerichtsvollzieher starten? Nein, das ist nicht möglich – aus gutem Grund: Der Beruf braucht reife, gefestigte Persönlichkeiten, die schon einige Lebenserfahrung und berufliches Wissen und Können mitbringen. Für die Ausbildung bewerben können sich deshalb

  • bevorzugt Justizfachwirtinnen und Justizfachwirte. Sie müssen unter anderem nachweisen, dass ihre Persönlichkeit und ihre bisherigen beruflichen Leistungen sie für die Tätigkeit empfehlen.  
  • bei Bedarf ausnahmsweise auch andere geeignete Justizbeschäftigte und externe Bewerberinnen und Bewerber. Bedingung für den Seiteneinstieg ist neben den charakterlichen Stärken auch die mehrjährige Erfahrung zum Beispiel in einem juristischen oder kaufmännischen Beruf.

Externe Bewerberinnen und Bewerber werden zunächst als Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer eingestellt. Eine sechsmonatige vorbereitende Ausbildung (4 Monate Theorie, 2 Monate Praxis) vermittelt kompakt die wesentlichen Kenntnisse für den Justizfachwirtedienst. Wer die abschließende Prüfung besteht, startet in die reguläre Gerichtsvollzieherausbildung und später ins Beamtenverhältnis auf Probe.

Welche Stärken brauche ich?

Persönlichkeits-Check

Gerichtsvollzieherin oder Gerichtsvollzieher: Der Beruf ist interessant für Menschen, die mit beiden Beinen fest im Leben stehen und im sozialen Miteinander genauso stark sind wie in der (Selbst-)Organisation.  

Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher arbeiten selbständig. Sie müssen täglich Entscheidungen von einiger Reichweite treffen. Entscheidungsfreude und Durchsetzungskraft sind deshalb wichtige Stärken. Ist der Antrag eines Gläubigers zulässig, kann er durchgeführt werden? Darf ein bestimmter Gegenstand gepfändet werden – oder wiegen die Einwände der Schuldnerin oder des Schuldners schwerer? Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher müssen eine neutrale Position einnehmen und die berechtigten Interessen von Gläubigern wie von Schuldnern erkennen und wahren.

Beispiel: Eine Gerichtsvollzieherin kommt zur Pfändung zu einem Schuldner. In der Wohnung entdeckt sie ein hochwertiges Notebook mit einigem Zubehör. Beides würde einen guten Erlös erzielen. Doch der Schuldner pocht darauf, dass er die leistungsstarken Geräte für seine Arbeit braucht. Die Gerichtsvollzieherin fordert geeignete Nachweise und prüft sie noch vor Ort. Dann entscheidet sie: Der Einwand ist nachvollziehbar, der Schuldner darf die Geräte behalten. Auf den neuwertigen OLED-Fernseher mit 75-Zoll-Bildschirm klebt sie dagegen das Pfandsiegel.

Braucht die Schuldnerin oder der Schuldner das teure Notebook für den Beruf? Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher müssen oft vor Ort entscheiden, ob berechtigte Einwände gegen eine Pfändung vorliegen. 

Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher 

  • brauchen viel diplomatisches Geschick. In ihrem Beruf müssen sie sich auf Menschen aus allen gesellschaftlichen Gruppen und auf ganz unterschiedliche Charaktere einstellen. 
  • treffen auf Kooperationsbereitschaft wie auf totale Verweigerung, auf Verzweiflung und Aggression. In jedem Fall gilt es, die richtige Mischung aus Distanz und Einfühlungsvermögen (Empathie) zu finden und eine gute und vertrauensvolle Gesprächsgrundlage zu schaffen.
  • tragen hohe Verantwortung. Was sie entscheiden und umsetzen, hat vor allem für die Schuldnerinnen und Schuldner oft weitreichende Folgen. 
  • müssen auch in Extremsituationen professionell handeln, zum Beispiel, wenn sie mit einer Kindeswegnahme beauftragt sind. 
  • sind als Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber auch für ihre Büroangestellten verantwortlich.

Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher arbeiten in der Regel nicht im Gerichtsgebäude, sondern betreiben eigene Büroräume. Sie sind sozusagen eine Ein-Personen-„Behörde“; ihren Geschäftsbetrieb organisieren sie weitgehend selbständig und eigenverantwortlich. Teilweise stellen sie Bürokräfte an, die sie unterstützen. Gerade bei der Vollstreckung (insbesondere bei Zwangsräumungen) müssen sie häufig spontan handeln und einen reibungslosen Ablauf organisieren: zum Beispiel, wenn die Schuldnerin oder der Schuldner seine Wohnungstür nicht öffnet.

 
Ich bin ein selbständiges Organ der Rechtspflege, arbeite völlig eigenverantwortlich, bei freier Zeiteinteilung, leite mein eigenes Büro: Ich bin seit 33 Jahren Gerichtsvollzieher und würde mich immer wieder für meinen Beruf entscheiden.

Walter Forster, Hauptgerichtsvollzieher

Ausbildung & Karrierechancen

Ausbildung an der Akademie und in der Praxis

Die 18-monatige Ausbildung gliedert sich in

  • drei Theorie-Lehrgänge an der Bayerischen Justizakademie in Pegnitz

    Inhalte: Rechtskenntnisse, EDV-Anwendungen und wichtige Kompetenzen für den Beruf. Sie werden praxisnah vermittelt und eingeübt, in Gruppenarbeit, Planspielen und Projekten. 
    Unterkunft und Verpflegung werden an der Justizakademie gestellt. 

  • die praktische Ausbildung bei einer Gerichtsvollzieherin oder einem Gerichtsvollzieher

    In den Praxisteilen wenden die Nachwuchskräfte ihr Wissen an und sammeln wertvolle Erfahrungen. Im letzten Ausbildungsabschnitt können sie schon teilweise mit Gerichtsvollzieheraufgaben beauftragt werden.

Abschlussprüfung

Die Ausbildung mündet in die Gerichtsvollzieherprüfung mit mehreren schriftlichen und einer mündlichen Prüfung. Darin müssen Nachwuchskräfte nicht nur ihre neuen Kenntnisse nachweisen, sondern auch ihr praktisches Geschick und Fingerspitzengefühl für den Beruf.

Bestanden! (Glückwunsch!) Und dann?

Wer die Prüfung besteht, bekommt Gerichtsvollzieheraufgaben zugewiesen. Je nach Prüfungsnote und Stellensituation werden die Nachwuchskräfte zur Gerichtsvollzieherin bzw. zum Gerichtsvollzieher ernannt. Im Laufe ihrer Karriere können sie aufsteigen zur Obergerichtsvollzieherin oder zum Obergerichtsvollzieher bzw. Hauptgerichtsvollzieherin oder Hauptgerichtsvollzieher. 

Linktipp: Zulassung, Ausbildung, wichtige Adressen

Hier finden Sie weitere Infos zum Beruf der Gerichtsvollzieherin und des Gerichtsvollziehers, zur Zulassung, Einstellung und Ausbildung – und alle Adressen für Ihre Bewerbung:

Gerichtsvollzieherin oder Gerichtsvollzieher werden: alle Infos

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